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Der psychologische Test
Das psychologische Experiment
Kluge Leute können sich dumm stellen.
Das Gegenteil ist schwieriger.
Kurt TucholskyWenn man im Alltag über Intelligenz redet, gibt es selten zwei Menschen, die die gleiche Vorstellung darüber haben, was Intelligenz überhaupt sein soll. Der eine schließt auf Intelligenz, wenn eine Person gute Leistungen in der Schule erbringt oder sich einfach nur erfolgreich durchschlägt. Der andere hält es für intelligent, eine schwierige Denkaufgabe in möglichst kurzer Zeit zu lösen, ohne dass dies eine praktische Relevanz besitzen muss. Wieder ein weiterer ist davon überzeugt, dass ein großes Wissen oder ein gutes Verständnis für komplizierte Texte ein Hinweis auf Intelligenz sei.
Nach den Erkenntnissen der Genforschung üben Frauen auf Grund des X-Chromosoms Einfluss auf die Intelligenzentwicklung aus, denn Frauen verfügen über zwei solche Chromosome, sodass Defekte bei Männern schwerwiegendere Auswirkungen haben als bei Frauen. So ist etwa die geistige Minderbegabung bei Männern häufiger als bei Frauen anzutreffen, allerdings findet man unter Männern nach einer Studie an der Universität Edinburgh aus dem Jahr 2007 auch mehr Hochbegabte, denn unter den intelligentesten zwei Prozent der Bevölkerung gibt es doppelt so viele Männer wie Frauen. Allerdings sind die Männer auch in der Gruppe mit geringer Intelligenz besonders stark vertreten. Die Hochintelligenz bei Männern ist für manche Forscher ein wichtigen Bestandteil der menschlichen Evolution, denn mit einer überragenden Intelligenz gelingt es nicht nur, für viele Frauen attraktiver zu sein und mit ihnen Nachkommen zu zeugen, sondern sie ist auch im täglichen Existenzkampf förderlich. Die Entwicklung der Intelligenz der Menschheit ist demnach den Wünschen und Erwartungen der Frauen zu verdanken. Auch bei der Intelligenzvererbung spielt der Mann eine untergeordnete Rolle, denn ein Vater gibt seine Intelligenz nur an seine Tochter weiter, nicht aber an seinen Sohn, denn der bekommt nur die Intelligenzgene auf dem X-Chromosom von seiner Mutter.
Nicht-Psychologen stellen sich unter Intelligenz immer etwas Großartiges und Umfassendes vor, viele Psychologen hingegen als etwas sehr Nüchternes - eben als ein Rädchen von den vielen, die uns am Laufen halten. Es gibt keine einheitliche Definition von Intelligenz, und es gibt fast ebensoviele Theorien über sie wie Forscher, die sich mit ihr befassen. Den meisten Theorien ist aber gemeinsam, dass sie Intelligenz als eine Fähigkeit sehen, sich in neuen Situationen durch Einsicht zurechtzufinden oder Aufgaben durch Denken zu lösen. Entscheidend ist aber, dass dies nicht durch Erfahrung, sondern die schnelle Erfassung von Beziehungen ermöglicht wird. Mit anderen Worten: Intelligentere haben im allgemeinen schneller den Überblick über ein unbekanntes Gebiet.
Unter dem Subject "Was messen Intelligenztests?" schrieb Ulrich Gresch" am 3. Juni 2005 in der Newsgroup "de.sci.psychologie" auf die Frage eines Diskutanten, was denn "diese ominoese Intelligenz anderes sein soll, als das, was der Test misst" (Hervorhebungen von mir; W.S.): "Der Test misst das Verhalten von Menschen, z. B. wieviele Testaufgaben sie in begrenzter Zeit richtig lösen können. Man kann nun die Testwerte mit dem Verhalten von Menschen in anderen Bereichen korrelieren, z. B. in der Schule, an der Universität, im Beruf usw. Wenn sich nun herausstellt, dass die Testergebnisse mit einer Reihe von Verhaltensweisen korrelieren, mit anderen aber nicht, dann ist doch wohl die Frage berechtigt, was wohl die Gemeinsamkeit der Verhaltensweisen sein mag, mit denen die Intelligenztestwerte korrelieren. Man könnte dann z. B. auf die Idee kommen, der Test messe die Geschwindigkeit, mit der Menschen Probleme lösen können. Dann sucht man weitere Verhaltensweisen, bei der Problemlösungsgeschwindigkeit eine Rolle spielt und sagt voraus, dass die Testwerte auch hier wieder mit dem Verhalten in diesem Bereich korrelieren. Falls dies der Fall ist, steigt natürlich die Zuversicht, dass Problemlösungsgeschwindigkeit in der Tat eine Dimension dessen sei, was der Intelligenztest misst. Dann kann man nach weiteren Gemeinsamkeiten suchen oder den Begriff des Problemlösens differenzieren, in Teilaspekte aufbrechen und nach dem beschriebenen Verfahren weiter arbeiten. Du wirst aber schon bemerkt haben, dass es weniger darauf ankommt, was der Test misst, als was er vorhersagen kann - denn dies ist seine eigentliche Bestimmung. Wenn er die Zuordnung von Menschen zu Aufgaben verbessert, was man statistisch überprüfen kann, dann hat er seinen Zweck erfüllt. Dasselbe gilt auch für andere psychologische Tests. Intelligenz ist also nichts anderes als ein Name für die Gemeinsamkeiten von Verhaltensweisen, die man intuitiv mit den sog. "geistigen Leistungen" in Verbindung bringt. Intelligenz ist also keineswegs das, was der Intelligenztest misst, sondern ein Dimension zur Beschreibung und Vorhersage des Verhaltens von Menschen. Wenn ich beispielsweise sage, der Franz sei intelligent, dann verbinde ich damit die Erwarung, dass er in der Schule, im Beruf in der Ausbildung gut abschneidet und wenn er das in einzelnen Bereichen nicht tut, ist dies ein höchst erklärungsbedürftiger Umstand, der nicht unbedingt zur Revision des Urteils über Franzens Intelligenz führen muss. Das Urteil über Franzens Intelligenz beruht selbstverständlich auch auf Beobachtungen seines Verhaltens in einschlägigen Situationen. Dies ist der vorwissenschaftliche Intelligenzbegriff. Wenn ich diese Beobachtungen standardisiere und systematisiere durch eine Testsituation, dann gelange ich, so der Test gut ist, zu präziseren Vorhersagen. Intelligenz ist also nicht, was der Intelligenztest misst, sondern was im realen Leben außerhalb der Testsituation gemessen wurde. Die Bedeutung der Testwerte ergeben sich aus den Korrelationen mit Verhaltensweisen im realen Leben. Wer mehr darin sieht, verfällt der Intelligenz-Mystik".
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Wenn Wissenschaftler über Intelligenz reden, schreiben und diskutieren wollen, müssen sie sich auf einen exakten gemeinsamen Sprachgebrauch einigen. Dabei ist es gar nicht so einfach, eine klare und eindeutige Definition für Intelligenz zu finden oder zu einer Einigung darüber zu kommen, wo Intelligenz denn herkommt und wie sie zu beeinflussen sei. Das Konstrukt der Intelligenz ist innerhalb der Psychologie sicherlich eines der umstrittensten, was wohl auch mit der hohen Wertigkeit zu tun hat, die allgemein in unserer Gesellschaft mit diesem Begriff verbunden wird.
Das Phänomen Intelligenz war bereits in der Antike bekannt, ebenso wie die Beobachtung, dass es zwei Ebenen geistiger Fähigkeiten gibt: die vorhandene Bildung einerseits und die Fähigkeit, neues Wissen aufzunehmen und damit umzugehen, andererseits. Diese Differenzierung ging im Mittelalter verloren, Intelligenz und Wissen wurden gleichgesetzt, es war undenkbar, dass ein Ungebildeter, des Lateinischen nicht Mächtiger, in wichtigen Fragen die richtigen, weisen Schlüsse ziehen könnte - klar zumindest für diejenigen, die diese Art von (Ein-)Bildung genossen hatten. Die Wortbedeutung des Mittelalters schwebt noch heute in dem englischen Wort 'intelligence' mit, was sich etwa darin äußert, dass CIA (Central Intelligence Agency) nicht mit Zentraler Intelligenz-Agentur übersetzt werden sollte. sollte ;-) Mit der Aufklärung besann man sich wieder auf die griechischen Philosophen und deren Thesen über intelligente Menschen. Man vermutete die Ursache für diese Intelligenz im Gehirn, das man sich als eine Art Maschine vorstellte (so wie es sich heute viele Menschen als eine Art Computer vorstellen). Die technischen Daten dieser Maschine galt es zu erheben, wollte man zum Kern der Intelligenz vorstoßen, anstatt Wissen und Bildung zu messen. Dies war durchaus wörtlich zu nehmen, Lombroso hat sogar Schädel vermessen. Der Darwin-Cousin Sir Francis Galton versuchte, Intelligenz mit damals modernen naturwissenschaftlichen Mitteln zu messen. Er maß das Reaktionsvermögen, das Hörvermögen in bezug auf Lautstärke und Frequenz sowie die Sehschärfe. Auf der Londoner Weltausstellung 1888 und anschließend im Londoner Museum richtete er ein öffentliches Testlabor ein.
Der erste modernen Anforderungen genügende IQ-Test wurde von Alfred Binet 1905 entwickelt. Binet sollte im Auftrag des Französischen Erziehungsministeriums einen objektiven Test zur Früherkennung lernschwacher Kinder entwickeln, nach dem gerecht entschieden werden sollte, wer zur Sonderschule geschickt wurde. Binets Test hatte bereits fast alle Merkmale heutiger Tests. Seine Fragen wurden an einer großen Anzahl von Kindern ausprobiert. Jeder Frage wurde das "Intelligenzalter" zugeordnet, in dem genau die Hälfte aller Kinder dieses Alters die Frage noch richtig beantworten konnten. War die Korrelation zum Alter nicht eindeutig, wurde die Frage verworfen. Nun wurden alle Fragen in der Reihenfolge des lntelligenzalters angeordnet und den Kindern gestellt. Danach, bis wohin die Kinder durch die Fragen nicht überfordert wurden (diesen Punkt festzustellen gab es eindeutige Anweisungen), wurde das individuelle Intelligenzalter des Kindes festgelegt. Die 9jährige Diana mit dem Intelligenzalter 10 Jahre war also überdurchschnittlich intelligent, der 8jährige Jean mit einem Intelligenzalter von 6 Jahren und 5 Monaten war entsprechend zurückgeblieben. Binets Test wurde bald in andere Sprachen übersetzt, war in der Version "Stanford-Binet" bis in die 7Oer Jahre im praktischen Einsatz und ist auch heute noch erhältlich.
Der Deutsche William Stern war es, der 1912 als erster den Begriff 'Intelligenzquotient' prägte. Ausgangspunkt war das Problem, dass es recht wenig über die Intelligenz aussagt, wenn man nur weiss, um wie viele Jahre jemand vor- oder zurückliegt. Es ist sicherlich nichts Besonderes, wenn ein 12jähriger schon ein Intelligenzalter von 14 Jahren hat. Ein 6 Monate alter Säugling mit einem Intelligenzalter von 21Ú2 Jahren dagegen ist eine geradezu unglaubliche Sensation. Stern suchte ein altersunabhängiges Maß für die menschliche Intelligenz, teilte zu diesem Zweck Intelligenzalter durch Lebensalter und multiplizierte das Ergebnis mit 100. Unsere 9 Jahre alte Diana mit dem Intelligenzalter 10 hat somit einen IQ von 111, Jean mit seinen 8 Jahren und dem Intelligenzalter 6,4 hat einen IQ von 80. Dieser Intelligenzquotient war aber nur bei Kindern sinnvoll, weil sich erfahrungsgemäss die Intelligenzentwicklung etwa ab dem 20sten Lebensjahr stark verlangsamt und sich im Alter sogar wieder allmählich zurückentwickelt. Eine 100 Jahre alte Frau mit einem Intelligenzalter von 20 Jahren müsste zwar als geistig absolut fit bezeichnet werden, bekäme aber einen Stern-IQ von nur 20.
Hany und Geppert (Max-Planck-Institut für Psychologische Forschung, München) betreuen in einer der ältesten Längsschnittstudien eineiige Zwillinge und ihre bisherigen Ergebnisse weisen darauf hin, dass kognitive Fähigkeiten einem erblichen Faktor von etwa 60 bis 70 Prozent besitzen. Geringer ist jedoch der Einfluss bei Persönlichkeitseigenschaften, wie Ängstlichkeit oder Offenheit gegenüber anderen. Dabei sind es nur rund 30 bis 40 Prozent, die den Genen zugeschrieben werden können. Auch Einstellungen, moralischen Werte und politischen Überzeugungen sind nur zu einem sehr geringen Teil durch unsere Anlagen geprägt, sondern werden durch das soziale Umfeld bestimmt.
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Die Idee lag nahe, für jeden Menschen anzugeben, wie gut er im Verhältnis zu seinen Altersgenossen bei dem jeweiligen Test abschnitt. Hierzu war es nötig, eine repräsentative Probe zu machen. Kurz nachdem Raven diese durch Angabe von ,'Perzentilwerten' für seine ,'Advanced Matrices' das erste Mal in die Tat umgesetzt hatte, stellte Wechsler das Konzept auf eine allgemeine theoretische Grundlage und gab eine Formel an, nach der die gefundenen Perzentilwerte in einen IQ überführt werden sollten, der dem bisher gewohnten ähnlich war. Auch bei dem neuen IQ sollte 100 ,'durchschnittliche' Intelligenz bedeuten, höhere Zahlen sollten höhere Intelligenz bedeuten. Wechsler ging davon aus, dass die Intelligenz in der Bevölkerung normal verteilt ist, also einer Gauß-Glockenkurve folgt. Innerhalb der ersten Standardabweichung nach oben und unten liegen jeweils 34 % aller Fälle. Wechsler definierte, dass jede Standardabweichung einer IQ-Änderung von 15 entsprechen solle. Hieraus folgt nun, dass 68 % aller Personen einer Population einen durchschnittlichen IQ zwischen 85 und 115 haben. 95 % haben einen IQ zwischen 70 und 130. Nur 0,13 % haben einen IQ von über 145. Um so hohe Intelligenzquotienten zu messen, benötigt man jedoch besondere Tests mit schwierigeren Fragen, die dann in einer entsprechenden Testgruppe validiert werden. Die meisten IQ-Tests sind nicht in der Lage, einen IQ von über 130 genau zu messen. Es werden zunächst noch Näherungswerte angegeben, ab 145 kann dann überhaupt kein Wert mehr errechnet werden.
Obgleich es nun seit etwas über einem Jahrhundert Messinstrumente zur Erfassung von Intelligenz gibt, existiert keine allgemein anerkannte Intelligenztheorie. Was Intelligenz überhaupt ist, ist vielen Wissenschaftlern auch erst einmal egal. Wichtig für sie ist die Brauchbarkeit in der Anwendung. Obgleich Intelligenztests seit es sie gibt auch angewendet werden, gibt es immer noch eine große, unbefriedigende Diskrepanz zwischen dem Entwicklungsstand von Theorie und Anwendung. Unbefriedigend vor allem deshalb, weil die zentrale Anwendung der lntelligenzforschung das Testen von Menschen ist, um diese 'objektiv' (so ist zumindest der Anpruch) für geeignet oder ungeeignet für eine Ausbildung, einen Job, eine Therapieform oder ähnliches zu erklären.
Übrigens: In den USA können Intelligenztests sogar über das Weiterleben der Probanden entscheiden: Dort dürfen zum Tode verurteilte Schwerverbrecher nicht hingerichtet werden, wenn sie einen IQ von 70 oder weniger aufweisen – sie gelten dann als geistig zurückgeblieben und somit begrenzt schuldfähig.
Siehe dazu im Detail
- Das Modell der "fluid" und "crystallized general intelligence" von Cattell
- Die mulitple Faktorentheorie oder das Modell der Primärfähigkeiten von Thurstone
- Das morphologische Intelligenz-Strukturmodell von Guilford
- Das Konzept der "Cognitive Modifiability" von Reuven Feuerstein
- Kreativität und Intelligenz
- Intelligenz und Hochbegabung
- Trendumkehr beim Flynn-Effekt
- Intelligenz bei Tieren
- Fernsehkonsum und Sprachkompetenz
- Intelligenz und Sprache
Etymologisch kommt der Begriff Intelligenz vom Lateinischen "intelligentia" (von "inter legere" = auswählen durch kritische Beachtung der relevanten Merkmale, ein Ding/einen Begriff richtig einordnen). Intelligenz zu beschreiben fällt sogar Psychologen schwer, dennoch gab und gibt es immer wieder Versuche, Intelligenz zu definieren:
Intelligenzstufen nach Terman
(IQ-Skala, Mittelwert=100, Standardabweichung=15)
Benennung |
IQ-Grenze |
% der Verteilung |
überragende Intelligenz |
128+ |
2,2 |
sehr gute Intelligenz |
120 - 127 |
6,7 |
gute Intelligenz |
111 - 119 |
16,1 |
mittlere (normale) Intelligenz |
91 - 110 |
50,0 |
Schwache Intelligenz (grenzdebil) |
80 - 90 |
16,1 |
leichter Intelligenzmangel |
65 - 79 |
6,7 |
Schwachsinn |
- 65 |
2,2 |
Siehe dazu auch die Testpraxis
Jahrzehntenlang stieg die Durchschnittsintelligenz der Menschen kontinuierlich an, sodass bei Testrevisionen die Standardwerte kontinuierlich an die neuen Verteilungen angepasst werden mussten. Der neuseeländische Politikwissenschaftler James Flynn hatte 1987 diesen ständigen Anstieg der durchschnittlichen IQ-Werte in den westlichen Gesellschaften seit dem Zweiten Weltkrieg entdeckt. Seitdem sprechen Psychologen vom Flynn-Effekt. Besonders in Ländern, in denen seit langem alle jungen Männer bei der Musterung einen Intelligenztest ausfüllen müssen, zeigte sich dieser Effekt. Der durch-schnittliche IQ-Wert in einem Land steigt ungefähr alle 30 Jahre - also in ieder Generation um 20 Punkte. Diesem Flynn-Effekt wird dadurch Rechnung getragen, dass bei der Normierung von IQ-Tests die Verteilungen nachjustiert werden, sodass der Durchschnitt nach wie vor bei 100 liegt und nur jeweils zwei Prozent über 130 und unter 70 IQ-Punkte kommen. Die Verbesserungen in den IQ-Werten sind aber nicht gleichmäßig auf alle Aufgabengruppen verteilt: Am stärksten sind die IQ-Zuwächse bei Aufgaben, die abstrakte und visuell-räumliche Fähigkeiten testen. Die sprachlichen und arithmetischen Fähigkeiten verbessern sich deutlich langsamer. Flynn selbst führt das auf Fernsehen, Computerspiel und -arbeit zurück, denn genau diese Tätigkeiten - die in immer früheren Jahren aufgenommen werden - trainieren räumliche Vorstellung und Abstraktionsvermögen. Bessere Ernährung und Bildung tragen das ihre dazu bei. Der australische Psychologe Robert Howard führt das auf die zunehmende Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen im visuellen Bereick zurück. Dazu kommt das Autofahren, das ebenfalls die visuellen Fähigkeiten beansprucht. Gesellschaft und Umwelt werden darüber hinaus immer komplexer, sodass auch von dieser Seite her ein Trainingsefekt zu vermuten ist.
Für diese säkulare Testnormverschiebung in Intelligenztests sind unterschiedlichste Erklärungsansätze vorgelegt worden. Der Brand-Hypothese (Brand, 1987) zufolge ist ein säkularer Wandel zu "permissiverem" Testbearbeitungsverhalten ein Kausalfaktor für diesen Aufwärtstrend, der Rodgers-Hypothese (Rodgers, 1998) zufolge ist direktionale Varianzrestriktion ("von unten her") in IQ-Verteilungen dafür verantwortlich. Diese Hypothesen wurden an im Zeitraum 1978-94 inzidentell erhobenen Testdaten (5445 Patienten der Wiener Univ.-Klinik für Psychiatrie) für das kristallisierte Intelligenzmaß MWT-B (Lehrl, 1977) geprüft. Basierend auf verschiedenen Schätzmodellen resultierte für diese Daten 1.7-2.4 IQ-Punkte für Jensen's Delta-IQ (IQ-Zuwachs pro Dekade). Für die Brand-Hypothese spricht die über den Erhebungszeitraum deutlich gestiegene Prävalenz im Rateverhalten (Verringerung der mittleren und medianen Zahl nicht-bearbeiteter Testitems, insbesondere die schwierigsten Items betreffend; Anstieg des Anteils an Testprotokollen ohne Itemauslassungen). Für die Rodgers-Hypothese sprechen charakteristische Gestaltänderungen der IQ-Verteilung über den Erhebungszeitraum (Verkleinerung der Testscorevarianz; Anhebung der unter dem Verteilungsmedian gelegenen Prozentrangbänder; wachsende Linkssteilheit und Schmalgipfligkeit der IQ-Verteilung ohne Indizien für einen Deckeneffekt; der Aufwärtstrend erfasst Personen mit niedriger Schulbildung überproportional) (vgl. Voracek, Universität Wien).
Aus Dänemark und der Schweiz kommen nun erste Zweifel an der Fortsetzung der Intelligenz-Zunahme. Thomas Teasdale, Psychologe an der Universität Kopenhagen, stellte fest, dass mit Beginn der neunziger Jahre die Steigerung der IQ-Werte aufhörte. In Dänemark machen nämlich seit 1957 alle 17jährigen Männer im Rahmen der Stellung beim Militär exakt dieselben IQ-Tests, und dort sinken die Werte seit 1990 leicht. Seit 1999 wurde sogar ein Rückgang beobachtet. Auch der Züricher Psychologe Urs Schallberger fand bei der Überprüfung eines Intelligenztests an 1.800 Kindern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz keinen Flynn-Effekt mehr, sondern ebenfalls Indizien für eine Trendumkehr. Über die Ursachen wird derzeit nur spekuliert, zumal nach wie vor unklar ist, was zuvor den stetigen Anstieg der Intelligenz bewirkt hatte. Teasdale, glaubt, dass die Reform der Schulsysteme in den fünfziger und sechziger Jahren die Bevölkerung intelligenter machte. Teasdales neue Entdeckungen scheinen die Schultheorie zu bestätigen: "Seit den siebziger Jahren hat sich in dänischen Schulen nicht mehr viel getan. Ohne weitere Verbesserungen in den Schulen bleibt die Intelligenz auf einem Niveau stehen." Dazu passen Ergebnisse aus Ländern wie Singapur und Südkorea. Dort werden noch immer Verbesserungen und Reformen in den Schulen durchgeführt, gleichzeitig steigen weiterhin die durchschnittlichen IQ- Werte. Mit der Schultheorie ist aber nicht der Rückgang der Intelligenz erklärt. Teasdale glaubt, dass die sinkenden IQ-Werte mit einem immer schwächeren Interesse an akademischer Ausbildung zusammenhängen. 1999, als die Intelligenzwerte zum ersten Mal sanken, ging erstmals auch die Zahl der dänischen Jugendlichen zurück, die ein Gymnasium besuchten. Teasdale: "Je mehr junge Männer bei ihrer Musterung nicht mehr an Prüfungen gewöhnt sind, desto schlechter kommen sie mit dem Test zurecht."
Kann man sagen, der Mensch sei
intelligenter als ein Schimpanse und ein Schimpanse intelligenter als
etwa eine Heuschrecke? Ja und nein. Man kann nur mit allergrößter
Vorsicht Abstufungen vornehmen. Natürlich könnte man annehmen,
Heuschrecken oder Bienen könnten Dinge, von denen wir keine Ahnung
haben. Allerdings sind diese Tiere von vielen Forschern sehr gut
ausgetestet. Es ist unwahrscheinlich, dass sie irgend etwas
Absonderliches können und uns darin haushoch überlegen sind. Gut, Bienen
können nach dem Sonnenkompass fliegen, das können wir nur mit
Instrumenten. Aber wir können es.
Man kann also durchaus sinnvoll fragen, ob wir die intelligentesten
Wesen sind. Alle verhaltensbiologischen Untersuchungen zeigen nun, dass
Säugetiere und Vögel die weitaus intelligentesten Tiere sind. Bei den
Säugetieren zeigt sich, dass Wale, Delfine und Affen deutlich
intelligenter sind als andere. Innerhalb der Affen sind es die großen
Affen - Mensch, Schimpanse, Gorilla und Orang-Utan - die besonders
intelligent sind. Insgesamt ist der Mensch sicher intelligenter als alle
anderen Tiere. Es zählt auch nicht die absolute Gehirngröße,
sondern wie groß es im Vergleich zum Körper ist. Wichtig sei vor allem
das Großhir, denn hier liegen Krähenvögel und manche Papageien mit der
relativen Hirngröße im Bereich von Schimpansen, und die geistige
Leistungsfähigkeit ist ebenfalls vergleichbar.
Neben der Sprache,
die vielleicht auch ein Baustein der Intelligenz ist, zeichnet Menschen
die Fähigkeit aus, in die Zukunft zu planen. Tiere können das eher
schlecht. Im Münsteraner Zoologischen Institut, an dem ich promoviert
habe, wurde das an Schimpansen untersucht. Diese Tiere denken nur ein
paar Stunden voraus, höchstens bis zum nächsten Morgen. Interessant ist
nun, dass die Fähigkeit zu syntaktischer Sprache eventuell mit dieser
Fähigkeit zur Zukunftsplanung zusammenhängt. Wir können mit Hilfe einer
solchen Sprache gedachte Dinge so behandeln, als existierten sie
tatsächlich.
Soziale Tiere sind deutlich intelligenter sind als
nichtsoziale Tiere. Intelligenz hat sich evolutiv bei Tieren
ausgebildet, die darauf angewiesen waren, die Verhaltensweisen ihrer
Mitgenossen vorauszuberechnen, einzuplanen und ihr Verhalten zu
kontrollieren. Das ist wohl eine der wichtigsten Wurzeln der
Intelligenz. Diese Intelligenz entwickelt sich auch beim Menschen nur in
einer sozialen Umgebung. Sie ist zwar genetisch rudimentär angelegt,
reift aber nur aus, wenn sie wachgerufen wird.
Der Graupapagei der
US-Tierpsychologin Irene Pepperberg konntez.B. über 200 Wörter äußern,
Fragen beantworten und sagen, ob etwas mehr oder weniger ist. Machte ein
anderer Graupapagei einen Fehler, korrigierte er ihn.
In einer Längsschnittstudie wurde versucht, unter Berücksichtigung
von Intelligenzunterschieden mögliche Effekte des Fernsehens auf die
Entwicklung von Sprach- und Lesekompetenzen von 332 Grundschulkindern
aufzudecken. Die Kinder der beiden etwa gleich großen Alterskohorten
waren zu Beginn der Studie durchschnittlich etwa sechs bzw. acht Jahre
alt. Im Rahmen dieser Untersuchung wurden Kinder mit hohem Fernsehkonsum
(Vielseher) und Kinder mit weniger stark ausgeprägtem Fernsehkonsum
(Normal- und Wenigseher) in Bezug auf die Entwicklung ihrer
(schrift)sprachlichen Leistungen verglichen, wobei die Intelligenz als
zusätzlicher Faktor berücksichtigt wurde.
Obwohl die allgemeine Intelligenz der Kinder durchgängig die stärksten Effekte zeigte, erwies sich auch der Fernsehkonsum als relevanter Einflussfaktor.
Dabei ergaben sich in der jüngeren Altersgruppe Interaktionen zwischen
den Faktoren in dem Sinne, dass die Vielseher gerade in der Gruppe der
weniger intelligenten Kinder besonders schwache sprachliche Leistungen
im Vergleich zu Wenigsehern zeigten.
Die menschliche Intelligenz ist nach David Premack neben der Evolution vermutlich der einzige flexible Prozess auf der Erde, der fähig ist, beinahe unbegrenzt Lösungen für Probleme zu produzieren, mit denen Lebewesen konfrontiert sind. Die Intelligenz ist dabei in der Anpassung deutlich schneller, denn während unbeirrt Verhaltensprogramme ausführen, die sich offenbar in der Evolution bewährt haben, können Menschen lernen, ihre Programme flexibel anzupassen. Voraussetzung dafür ist eine "Theory of Mind": Ich denke, dass du denkst, dass ich denke usw. usf. Das ist eine rekursive Struktur, wie sie auch für die Grammatik der menschlichen Sprachen typisch ist. Durch Rekursivität lassen sich aus endlich vielen Regeln und Wörtern unendliche viele Sätze aufbauen. Das ist nach Noam Chomsky die beim Menschen einzigartige Komponente der Sprachfähigkeit, denn ist die Zahl der Sätze unendlich, dann ist auch die Zahl der möglichen Gedanken und Absichten unendlich. Die Rekursion ist die Fähigkeit, einen Gedanken in einen anderen einzubetten. Die Psychologen W. Tecumseh Fitch und Marc D. Hauser ließen Tamarin- Äffchen Abfolgen von Silben zweier Sorten (A und B) erlernen. Die Äffchen erlernten dabei eine nicht rekursive Grammatik, bei der nur Wörter, die gleich nacheinander kommen, miteinander zusammenhängen. Die Äffchen gewöhnten sich also daran, dass auf eine A-Silbe immer eine B-Silbe folgt und zeigten sich irritiert, wenn das nicht der Fall war. Eine simple rekursive Grammatik , dass auf eine Anzahl von A-Silben folgt immer dieselbe Anzahl von 2 oder 3 B-Silben folgt, erlernten sie hingegen nicht. Sie verstehen vermutlich keine hierarchisch organisierte akustische Struktur, also das, was das Wesen der menschlichen Sprachen ausmacht (Science 2003, 303, S. 377).
In der Studie wollten die Kröner & Dickhäuser (2009) untersuchen, ob allein die Nennung eines Schülernamens bereits Assoziationen zu Intelligenz, Alter und Attraktivität hervorruft. Die getesteten Vornamen von Schülerinnen und Schülern wurden in vier Gruppen, nämlich altmodische Vornamen, moderne Vornamen, zeitlose Vornamen und Paare von weiblichen und männlichen Vornamen, die von Probanden nach intuitiven Kriterien mit dem Ziel gleicher Attraktivität zusammengestellt wurden. Aufgrund von Änderungen in der Gesellschaft wurden die Vornamen mithilfe von aktuellen Geburtsstatistiken ausgewählt. Es sollte beantwortet werden, ob die Wortnormen einer gleichartigen Studie von Rudolf und Spörrle (1999) noch gültig sind, und ob die Ergebnisse generalisierbar auf die für Aufsatzbeurteilung besonders relevante Gruppe der Lehramtsstudierenden sind.
Verglichen mit der Studie von Rudolph und Spörrle (1999) zeigen die Ergebnisse eine über alle Namen hinweg höhere assoziierte Intelligenz und für die einzelnen Namen eine hohe Korrelation der Intelligenzeinschätzungen. Die Rangplätze moderner Vornamen verbesserten sich insgesamt, während sie sich bei altmodischen Namen verschlechterten. Die Studie zeigt aber nur die voreingenommene Meinung über die Verknüpfung eines bestimmten Vornamens mit der Intelligenz der Person. Aussagen über tatsächliche Intelligenz, oder ob über Erwartungshaltungen hinausgehende Intelligenzeinschätzungen von Lehrern oder anderen Personengruppen vom Namen abhängen, werden von der Arbeit nicht behandelt.
Die Grenzen der Studie liegen in der nicht allzu großen Stichprobe und dem relativ schmalen Spektrum von Vornamen. Weiters basiert die Arbeit nur auf einer Gruppe von bayrischen Lehramtsstudenten, wobei eine Studie von Rudolph et al. (2007) eine untergeordnete Bedeutung von regionalen Unterschieden zeigt (vgl. Kröner & Dickhäuser, 2009, S. 156 f).
Empirische Untersuchungen belegten enge
Zusammenhänge zwischen kognitiven Kompetenzen (Intelligenztests,
Schulleistungstests) und dem Bruttoinlandsprodukt sowie dem
Wirtschaftswachstum einer Gesellschaft, wobei jedoch der
Ursache-Wirkungs-Zusammenhang unklar ist: Führt Intelligenz zu Wohlstand
oder hat Wohlstand eine bessere Intelligenz zur Folge? Bei einer
Feinanalyse dieser Zusammenhänge wird deutlich, dass insbesondere das
Fähigkeitsniveau der etwa fünf Prozent kognitiv Leistungsfähigsten einer
Gesellschaft besonders dafür relevant ist, da diese Personen für
technische Innovationen und deren Adaptation, für die Steuerung in
Betrieben und Verwaltungen und für die Funktionalität komplexer Systeme
die größte Verantwortung tragen.
Kognitive Kompetenzen sind auch von der Qualität
der Erziehung und Bildung abhängig, d.h., Intelligenz ist stets ein in
Kausalnetze eingebundener Faktor, wobei je komplexer ein
Wirtschaftssystem ist, desto mehr hängen seine Erfolge von kognitiven
Kompetenzen ab. Bildung und Kompetenzen sind auch für politische
Einstellungen und Institutionen bedeutsam, für Toleranz, Liberalität,
Demokratie und Rechtsstaatlichkeit: Mehrheitsprinzip und
Entscheidungsfindung über Wahlen implizieren, dass die Mehrheit der
Wähler erkennen kann, was gut für sie und für das Land ist, dass
abweichende Meinungen toleriert werden und dass Personen bestimmte
demokratische Werthaltungen teilen. Untersuchungen zur kognitiven
Epidemiologie haben auch belegt, dass Bildung und Intelligenz unabhängig
vom Wohlstand positiv mit Gesundheit und Lebenserwartung
zusammenhängen. Intelligentere Personen verhalten sich dank Einsicht und
Wissen im Durchschnitt gesünder und verfügen über eine höhere
biopsychische Systemintegrität, aber nicht zuletzt ermöglicht
Intelligenz über den Erfolg in Ausbildungssystemen und Beruf auch, in
gesündere Umwelten zu gelangen. Eine höhere Intelligenz erhöht
allerdings lediglich die Wahrscheinlichkeiten für positive Effekte und
senkt diese für Risiken.
Growing up in a chaotic home could be bad for a child's developing mind. An association between disorganised, noisy and cramped homes and lower childhood intelligence has been observed before. But whether socio-economic status (SES), genetics or the environment itself is the cause has never been clear. So Stephen Petrill at Pennsylvania State University and his colleagues turned to a database of twins born in the UK between 1994 and 1996. By noting differences between genetically identical twins, and fraternal twins, who share only half their genes, the researchers hoped to tease apart the influence of genes and environment. The team collected information about nearly 8000 3- and 4-year-old twins, on SES, household chaos and cognitive ability, which they measured with quizzes and vocabulary and grammar tests. The results showed that the homes of wealthier and better-educated parents were slightly more organised. But after controlling for the large genetic contribution to intelligence, the team found that chaos had an influence on cognitive skills independently of SES. "It just makes sense," says Robert Plomin, a co-author of the paper. "If a kid is in a really chaotic home, it's hard to imagine that they can learn in a normal way. Their surroundings just aren't subtle enough for them to tease apart the world." The findings also suggest that when the environment is more stressful, intelligence is more likely to be constrained by genes, he says. (The World's No.1 Science & Technology News Service 04-06-10)
Für die Ausprägung von Intelligenz sind mehrere Gehirnregionen und deren Verbindung untereinander verantwortlich, wobei sich diese Gehirnareale sich hauptsächlich im Großhirnbereich am Hinterkopf und im Frontallappen (Großhirnbereich unter der Stirn) finden. Zusätzlich bewirkt die Geschwindigkeit der Signalübertragung zwischen den einzelnen Bereichen vermutlich auch den Unterschied zwischen sehr hoher und sehr niedrigerer Intelligenz, wobei die Hypothese der neuronalen Effizienz besagt, dass ein intelligenter Mensch sein Gehirn weniger anstrengen muss als ein weniger intelligenter, um eine Aufgabe zu lösen, die beiden gleichermaßen vertraut ist. Das gilt allerdings nur bei mittelschweren Aufgaben, bei denen die sehr intelligenten Menschen weniger Gehirnressourcen einsetzen, während bei sehr leichten und sehr schwerden beide Personengruppen gleiche Gehirnaktivität eigen. Dazu passt folgende Untersuchung: Genç et al. (2018) haben in einer Untersuchung der Gehirne von 259 Männern und Frauen mittels Neurite Orientation Dispersion and Density Imaging (einer Form der Magnetresonanztomografie) festgestellt, wieviele Dendriten zu anderen Nervenzellen in Verbindung stehen, wobei alle Probanden auch einen Intelligenztest absolvieren mussten. Dabei zeigte sich, dass je intelligenter ein Mensch ist, desto weniger Dendriten hat er in der Großhirnrinde. Anhand eines Datensatzes des Human-Connectome-Projekts konnte dieses Ergebnis bestätigt werden, denn der Zusammenhang zwischen Dendritenmenge und Intelligenz fand sich auch in dieser Stichprobe. Dadurch konnte bestätigt werden, dass intelligentere Menschen trotz ihrer vergleichsweise hohen Anzahl an Nervenzellen weniger neuronale Aktivität beim Bearbeiten eines Intelligenztests zeigen als die Gehirne von weniger intelligenten Menschen. Intelligente Gehirne zeichnen sich offenbar durch eine effiziente Vernetzung der Neuronen aus, sodass die hohe Denkleistung bei möglichst geringer neuronaler Aktivität erzielt wird.
Faskowitz et al. (2022) haben Daten der funktionellen
Magnetresonanztomographie von mehr als achthundert Probanden verwendet,
um zu zeigen, dass höhere Werte der allgemeinen Intelligenz mit einer
geringeren Rekonfiguration der Hirnnetzwerke zwischen dem Ruhezustand
und sieben verschiedenen Aufgabenzuständen sowie mit einer
Rekonfiguration der Netzwerke zwischen den Aufgaben verbunden sind. Die
Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieser Untersuchungen befanden sich
entweder im Ruhestand oder mussten verschiedene Aufgaben bearbeiten,
während mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomografie die
Aktivität ihrer Gehirnareale erfasst wurde. In den Versuchen mussten
verschiedene Aufgabenarten bewältigt werden, wobei jede von ihnen für
einen anderen kognitiven Prozess stand. Um etwa das Arbeitsgedächtnis
zu aktivieren, mussten die Probanden entscheiden, ob in einer langen
Bilderpräsentation das jeweils zuletzt gezeigte Bild einem vorherigen
entsprach. Um die Sprachverarbeitung zu untersuchen,
wurde eine Geschichte erzählt, und die Probanden mussten anhand von
Alternativen entscheiden, was das Thema der Geschichte gewesen war. Für
den Bereich der sozialen Kognition bekamen sie
Video-Clips zu sehen, in denen sich geometrische Objekte bewegten,
wonach sie entscheiden mussten, ob diese Objekte miteinander
interagierten oder nicht. Die Ergebnisse deuteten darauf hin, dass die
Netzwerkarchitektur von Menschen mit höheren Intelligenzwerten näher an
der Netzwerkarchitektur liegt, die für verschiedene kognitive
Anforderungen erforderlich ist. Die Rekonfiguration von
Multitasking-Gehirnnetzwerken könnte daher eine neuronale Widerspiegelung der positiven Verhaltensvielfalt
darstellen, einer Essenz des Konzepts der allgemeinen Intelligenz. Die
Ergebnisse legen vereinfacht gesagtnahe, dass die funktionellen
Netzwerke von Menschen mit einer höheren Intelligenz beim Wechsel
zwischen verschiedenen kognitiven Zuständen angesichts einer
Problemstellung eine geringere Anpassung erfordern, denn ihre
Netzwerkarchitektur ist so gestaltet, dass der Wechsel etwa vom Ruhe- in
den Arbeitsmodus nur geringe Umstellungen erfordert, dass also
Anpassungen an neue Aufgaben für sie weniger aufwendig zu
bewerkstelligen sind. Dieser Effekt trat dabei unabhängig von der Art
der zu bearbeitenden Aufgabe auf, war also auch unabhängig von den
verschiedenen zu bewältigenden kognitiven Anforderungen. Intelligenz ist demnach also ein Phänomen des gesamten Gehirns,
sich an verschiedenen Anforderungen anzupassen, und je intelligenter
ein Mensch ist, desto besser ist also die Netzwerkarchitektur seines
Gehirns dafür geeignet, verschiedene kognitive Anforderungen zu
erfüllen.
Die ältesten Geschwister in einer Familie weisen nach einer
norwegischen Untersuchung (Intelligenztests bei 241.310 Norwegern im
Alter von 18 und 19 Jahren) einen um 2,3 Punkte höheren
Intelligenzquotienten auf als ihre jüngeren Brüder und Schwestern. Die
Wissenschafter erklären das unter anderem mit der "Nachhilfe", die
ältere ihren jüngeren Geschwistern beim Erlernen von Fertigkeiten geben.
Forscher eines Colleges of London überprüften die Intelligenz von 33
Jugendliche im Alter zwischen zwölf und sechzehn Jahren und
wiederholten diese Untersuchung nach vier Jahren. Bei der ersten
Untersuchung lagen die IQs der 33 Jugendlichen zwischen 77 und 135, bei
der zweiten Untersuchung zwischen 87 und 143. Einige Jugendlichen
hatten ihr Ergebnis im zweiten Test um bis zu 20 Punkte verbessert,
während andere einen vergleichbaren Einbruch zeigten. Auch in den
einzelnen Subtests waren teilweise deutliche Abweichungen
festzustellen. Dabei hatte sich die graue Hirnsubstanz parallel zu der
Entwicklung des IQ verändert, so korrelierte ein Anstieg des verbalen IQ
mit einer Zunahme der Dichte grauer Hirnsubstanz in der motorischen
Großhirnrinde, eine Zunahme des non-verbalen IQ korrelierte mit einer
Zunahme der Dichte im vorderen Kleinhirn. Als Erklärung bietet sich an,
dass einige Kinder Früh- bzw. Spätentwickler, aber auch die Ausbildung
und Förderung der Fähigkeiten kannin dieser Zeit eine Rolle spielen. Das
sind alles lange bekannte Fakten, die teilweise mit methodischen
Schwächen der eingesetzten Verfahren, den Problemen einer wiederholten
Messung aber auch mit bisher schon bekannten Veränderungen
aktualisierbarer Kompetenzen begründet werden können. Daher ist die
Behauptung, dass die bisherige Annahme, dass sich die Intelligenz im
Leben nicht groß verändert, nun verworfen werden muss, beruht dabei auf
einem Missverständnis des Intelligenzkonzepts.
Obwohl Metaanalysen zeigen, dass die Intelligenz dasjenige Persönlichkeitsmerkmal eines Menschen ist , mit dem sich berufliche Leistung über viele Berufsfelder hinweg am besten prognostizieren lässt, denn mit zunehmender Intelligenz können sich Menschen schneller auf neue Sachverhalte einstellen, komplexe Probleme richtig erfassen und rational durchdenken, werden diese etwa in Deutschland selten dafür eingesetzt. Nach Kanning (2013) setzen weniger als ein Prozent der Unternehmen bei der Auswahl der Mitarbeiter auf der oberen Führungsebene zu Tess, wobei die Wahrscheinlichkeit, dass ein deutscher Spitzenmanager durch ein graphologisches Gutachten ausgewählt wird, in Deutschland dreimal größer ist als die Wahrscheinlichkeit, dass ein Intelligenztest zum Einsatz kommt. Nach Ansicht Kannings liegt das daran, dass viele Entscheidungsträger gegenüber Intelligenztests haben, die aber auf Unkenntnis und Vorurteilen beruhen:
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https://psychologie-news.stangl.eu/5250/sind-pflanzen-intelligent.
OÖnachrichten vom 03.07.2007
http://www.sciencedaily.com/releases/2011/10/111020024329.htm (11-10-20)
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