[stangl] test: klassische intelligenzmodelle*)

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Der psychologische Test
Das psychologische Experiment

Hier finden sich exemplarisch einige klassische Modellvorstellungen der Intelligenz, die in zahlreichen Testverfahren operationalisiert wurden. Etymologisch kommt der Begriff Intelligenz vom Lateinischen "intelligentia" (von "inter legere" = auswählen durch kritische Beachtung der relevanten Merkmale, ein Ding/einen Begriff richtig einordnen). Intelligenz zu beschreiben fällt sogar Psychologen schwer, dennoch gab und gibt es immer wieder Versuche, Intelligenz zu definieren:

Intelligenzstufen nach Terman
(IQ-Skala, Mittelwert=100, Standardabweichung=15)

Benennung

IQ-Grenze

% der Verteilung

überragende Intelligenz

128+

2,2

sehr gute Intelligenz

120 - 127

6,7

gute Intelligenz

111 - 119

16,1

mittlere (normale) Intelligenz

91 - 110

50,0

Schwache Intelligenz (grenzdebil)

80 - 90

16,1

leichter Intelligenzmangel

65 - 79

6,7

Schwachsinn

- 65

2,2

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Das Modell der "fluid" und "crystallized general intelligence" von Cattell

Cattell unterscheidet zwei Faktoren:

 

fluid und crystallized general intelligence von Cattell
Abb. 3: Cattells Intelligenz-Modell (nach
Amelang & Bartussek 1990, S. 205)
Die Pfeile veranschaulichen die Richtung einer Wirkung.
Durchgezogene Linien stehen für stärkeren Einfluss.


Die mulitple Faktorentheorie oder das Modell der Primärfähigkeiten von Thurstone

Da eine Reihe faktorenanalytischer Befunde nicht oder nur schwer mit der hypothetisch geforderten Existenz eines g-Faktors in Einklang gebracht werden konnten, begann Thurstone (1931) die nach der Extraktion des g-Faktors gebliebenen gemeinsamen Restvarianzen zu untersuchen. Mit Hilfe der von ihm entwickelten Technik der multiplen Faktorenanalyse (eine Weiterentwicklung von Spearmans Faktorenanalyse) entdeckte er eine Gruppe von Grundfaktoren, die von ihm als "Primary abilities" (Primärfaktoren der Intelligenz) bezeichnet wurden.

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Das morphologische Intelligenz-Strukturmodell von Guilford

Durch die faktorenanalytische Forschung konnten bisher etwa 100 Einzelfaktoren der Intelligenz identifiziert werden. Guilford versucht in seinem wohl umfassendsten Strukturmodell, diese Vielfalt systematisch zu ordnen. Dieses Modell lässt sich als Informationsverarbeitungsmodell verstehen, das zwischen Input,- Operations- und Outputvariablen unterscheidet. Das Modell von Guilford besticht durch seine logische Struktur, seine Systematik und Ordnung. Auf seiner Grundlage wurde inzwischen eine große Anzahl von Intelligenzfaktoren entdeckt.

Intelligenz Strukturmodell von Guilford

Abb. 5: Das "Structure of Intellect"- Modell von Guilford (nach Amelang & Bartussek 1990, S. 207)

Siehe dazu auch die Testpraxis

 

Literatur zum Thema Intelligenz

Gould, S. J. (1981). The Mismeasure of Man. London: Penguin Books.
Horn, R. (1993). Stichwort: Intelligenz. München: Heyne.
Howard, R. W. (1991). All About Intelligence. New South Wales: University Press.
Liungman, Carl G. (1973). Der Intelligenzkult. Hamburg: Rowohlt.
Sternberg, R.J. (Hrsg.) (1982). Handbook of Human Intelligence. Cambridge University Press.


Praktische Intelligenz

Dörner bezeichnet sie als operativer Intelligenz, worunter man die Fähigkeit versteht, komplexe Probleme im Alltag zu identifizieren, zu definieren und gute Lösungen für sie zu finden. Für Sternberg ist tacit knowledge, slso implizites, nicht verbalisiertes Wissen, das Zentrum der praktischen Intelligenz, sie ist also handlungsbezogenes, prozedurales Wissen. Zudem ist es nützliches Wissen, da es der Erfüllung persönlicher Ziele und Bedürfnisse dient, und wird in der Regel ohne direkte Hilfe von anderen erworben, etwa durch Reflexion eigener Erfahrungen. Sternbergs triarchisches Modell verknüpft die analytische, die praktische und die kreative Intelligenz miteinander, wobei die Successful Intelligence den flexiblen Einsatz dieser drei Intelligenzformen umfasst. Darunter versteht Sternberg Intelligenz als die Fähigkeit, innerhalb einer gegebenen Kultur erfolgreich zu sein. Das pluralistische Modell von Gardner (s.u.) umfasst sieben Intelligenzen: sprachliche, musikalische, logisch-mathematische, räumliche, körperbezogen-kinästhetische, sowie intrapersonelle und interpersonelle Intelligenz. Sternberg und Gardner sind der Ansicht, dass die Bandbreite menschlicher Intelligenz nur durch multiple Intelligenzen abgebildet werden kann, denn die traditionellen Intelligenzkonzepte verwenden künstliche und künstlich konstruierte Aufgaben, um die Intelligenz zu messen ohne wesentlichen Bezug zum Alltag oder zum Berufsleben. Mit der Erweiterung des Intelligenzkonzeptes stellt sich auch die Frage nach den multiplen Kriterien, die den Erfolg definieren sollen, der eine gruppenbezogene, soziale Konstruktion darstellt. Ein Konstrukt wie die „soziale Intelligenz“ ist vermutlich weniger ein genuin psychologisches Konstrukt sondern eher ein sozial definierter Begriff (vgl. Weber & Westmeyer, 2001).

Theorie der multiplen Intelligenzen nach Howard Gardner

Gardner (1994) wollte damit die klassischen psychometrischen Intelligenztests in Frage stellen und ein eher phänomenologisch orientiertes System menschlicher Intelligenzbereiche entwickeln. Er unterscheidet

Literatur: Gardner, Howard (1994). Abschied vom IQ : die Rahmentheorie der vielfachen Intelligenzen. Stuttgart: Klett-Cotta.

Quelle: Wikipedia. http://de.wikipedia.org/wiki/Theorie_der_multiplen_Intelligenzen (06-01-01)

Ein Vergleich der Intelligenzmodelle von Thurstone und Gardner zeigt, dass der Begriff der Intelligenz ein Konventionsbegriff ist, der also gesellschaftliche Akzeptanz benötigt und damit auch gesellschaftlichen Veränderungen unterlieg. Beide Konzepte haben sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede. Beide gehen von sieben Primärfaktoren der Intelligenz aus und stimmen hinsichtlich des räumlichen Vorstellungsvermögens, der logisch-mathematischen Fähigkeiten sowie der linguistischen Fähigkeiten miteinander überein. War jedoch bei Thurstone noch die Gedächtnisleistung sowie die Wahrnehmungsgeschwindigkeit ein Intelligenzfaktor, so wurden diese bei Gardner durch musikalische, körperliche, inter- und intrapersonale Fähigkeiten ersetzt.


Das Konzept der "Cognitive Modifiability" von Reuven Feuerstein

Reuven Feuerstein orientierte sich bei der Entwicklung seines Konzepts der "Cognitive Modifiability" - das im strengen Sinn eigentlich kein Intelligenzmodell darstellt - an der "Genfer Schule" (Jean Piaget, Bärbel Inhelder) und an Wygotski. Beide Richtungen teilen die Auffassung, dass sich das Erkenntnisvermögen in der aktiven Auseinandersetzung des Menschen mit seiner Umwelt entwickelt und intelligente Leistungen sich nur in Form einer permanenten Entwicklung erfassen lassen.

Feuerstein untersuchte Mitte des 20. Jahrhunderts im Auftrag des israelischen Erziehungsministeriums die Integrationsmöglichkeiten von nordafrikanischen Juden, die während der zweiten großen Immigrationswelle ins Land gekommen waren. Diese litten vielfach unter emotionalen Störungen, wobei gleichzeitig ihre intellektuellen Leistungen stark eingeschränkt waren. Feuerstein war jedoch davon überzeugt, dass die niedrigen Intelligenztestwerte dieser Gruppen - zumindest teilweise - nicht durch fehlendes intellektuelles Potential, sondern vor allem auch durch die Erfahrungen, die diese Menschen durchlitten hatten, erklärt werden konnten. Feuerstein diagnostizierte schwerwiegende kognitive Defizite wie Impulsivität, Unfähigkeit zum Vergleich zwischen verschiedenen Objekten und Ereignissen, Schwierigkeiten bei der räumlichen Orientierung, Unfähigkeit zu planvollen Verhalten und die Unfähigkeit, Ursache und Wirkung miteinander zu verbinden.

Feuerstein Grundannahme lautet: Intelligenz ist keine statische Struktur, sondern ein offenes, dynamisches System, das sich während des ganzen Lebens weiterentwickeln kann. Daher richtet sich seine Auffassung gegen das eher statische Konzept der Intelligenzbegriffs und die Annahme einer weitgehend angeborenem und damit unveränderbaren Leistungsfähigkeit. Folgerichtig entwickelte er daher Programme, um die menschliche Intelligenz zu steigern. Das Arbeitsmaterial Feuersteins besteht aus Übungseinheiten, die den Aufgaben der traditionellen sprachfreien Intelligenztests entsprechen oder ähneln. Diese Tests enthalten außer einfachen Instruktionen keine verbalen Inhalte. Damit soll sichergestellt werden, dass die Ergebnisse nicht durch kultur- oder klassenbedingte sprachliche Defizite verfälscht werden.

Sein auf Förderung ausgerichtete Konzept der "Cognitive Modifiability" hat zum Ziel, eine strukturelle Veränderung der kognitiven Entwicklung zu befördern. Dies setzt voraus, dass sich die intellektuellen Fähigkeiten des Menschen, außer in Fällen schwerer genetischer und/oder organischer Defekte, in allen Lebensphasen weiterentwickeln können. Eine Veränderung der kognitiven Struktur bedeutet, dass sich die Art des Umgangs mit bestimmten Quellen der Information wandelt, etwa wenn das Kind die soeben gelernten Grundrechenarten zur Lösung selbstgestellter Aufgaben nutzt. Nach einer Veränderung der kognitiven Struktur ändert sich die Richtung der zukünftigen intellektuellen Entwicklung.

Die intellektuelle Entwicklungsfähigkeit des Menschen ist nach Auffassung Feuersteins um so größer, je schlechter die soziale Bedingungen des betroffenen Individuums in seinem bisherigen Leben waren. Nach Feuerstein gliedert sich die kognitive Struktur in die Bereiche Motivation (Lernziele, persönliche Ziele), Erfahrung, Grundfertigkeiten (Vergleichen, Kategorisieren, Raumorientierung, Planen, analytische Wahrnehmung, ganzheitliche Wahrnehmung) und Begriffe (Raumbegriffe, Verhältnisbegriffe, Prinzipien).

Im Sinne von Piagets Modell der kognitiven Entwicklung folgert Feuerstein, dass die kognitive Struktur die Wirklichkeit konstruiert, indem sie sich selbst konstruiert. Kognitive Struktur und Wirklichkeit sind durch vielschichtige Wechselwirkungen miteinander verbunden, sodass die Entwicklung der kognitiven Struktur ein lebenslanger Lernprozess in der Auseinandersetzung mit inneren und äußeren Realitäten ist. Dieser Lernprozess kann jedoch durch äußere Faktoren (schlechte soziale Bedingungen, psychische und/oder körperliche Traumatisierungen) oder interne Einflussgrößen (genetische Defekte) gehemmt, verzerrt oder gar blockiert werden. Die kognitive Struktur kann sich durch unmittelbare und vermittelte Lernerfahrung verändern. Die unmittelbare Lernerfahrung beginnt im Grunde bereits im Mutterleib. Das Kind interagiert mit seiner Umwelt, sammelt Erfahrungen, und diese Erfahrungen verändern seine kognitive Struktur und damit auch seine Art des Umgangs mit der Umwelt. Bei der vermittelten Lernerfahrung steuert ein Mediator den Prozess des Lernens. Typische Mediatoren sind Eltern, Geschwister, Lehrer. Die Absichten des Vermittlers bestimmen die Auswahl der Umweltausschnitte bzw. Reize, mit denen er das Kind konfrontiert, und somit beeinflusst er in entscheidendem Maße die Entwicklung der kognitiven Struktur des Kindes.

Nach Feuerstein ist ein Mangel an vermittelter Lernerfahrung eine wesentliche Ursache verzögerter und defizitärer geistiger Entwicklung. Je früher das Kind vermittelte Lernerfahrungen sammele, desto leichter könne es auch im direkten Umgang mit der Umwelt lernen. Ein guter Vermittler (Mediator, Lehrer) sollte dem Lernenden planvoll und mit Bedacht ausgewählte Stimuli präsentieren, die jeweilige Lernerfahrung mit anderen verwandten Erfahrungen verbinden, dem Lernen eine bezeichnende persönliche Bedeutung geben, offen sein für die wechselseitige Beziehung zwischen Lehrer und Lernendem, die Überzeugung zu erkennen geben, dass sich der Lernende verändern und verbessern wird und auf Verhaltensweisen verzichten, die Unabhängigkeit hemmen und Selbststeuerung behindern.

Der Mensch ist auf "vermitteltes Lernen" angewiesen, um zu einem aktiven Informationserzeuger zu werden. Ohne vermitteltes Lernen bleibt der Mensch ein passiver Rezipient chaotischer Informationen. In vermittelten Lernprozessen muss er Fähigkeiten entwickeln, die Feuerstein als Parameter des vermittelten Lernens bezeichnet:

Quelle:
Gresch, Hans Ulrich (1998). Möglichkeiten, Grenzen und Perspektiven des Feuerstein-Trainings (Instrumental Enrichment Program).
WWW: http://ourworld.compuserve.com/homepages/HUMGresch/wsi.htm (02-12-23) 

 

Nach Detlef Rost (Marburger Professor für Pädagogische Psychologie und Entwicklungspsychologie) ist inzwischen üblich geworden, von emotionaler, sozialer und multipler Intelligenz zu sprechen. Dem Intelligenzbegriff geht es nicht besser als dem Bildungsbegriff - der eine wird in scheinbar unterschiedlich fokussierte Intelligenzmodelle, der andere in Kompetenzen zerlegt und damit unschädlich gemacht. Vor allem Manager, pädagogisches Personal und Medien übernehmen diese Wendungen ungeprüft. Doch solche Theorien können weder theoretisch noch empirisch leisten, was sie vorgeben. In Anbetracht dessen, dass immer mehr Intelligenztests eingesetzt werden (Forschung, Militär, pädagogisch-psychologische Praxis), gilt es, Scharlatane rechtzeitig zu erkennen. Nach wie vor können Schulleistungen durch Intelligenztests besser vorhergesagt werden als durch Persönlichkeitsvariablen und motivationale Indikatoren. Der Intelligenzquotient korreliert nach Rost auch mit dem Lebenserfolg (Einkommen, Lebenszufriedenheit, sozialer Status) sowie negativ mit Schulabbruch, Arbeitslosigkeit und Armut.

Das Intelligenzniveau lässt sich, wenn überhaupt, nur in geringem Maße durch Trainingsprogramme steigern. Rost widerlegt so bekannte Ammenmärchen wie die These, Kaugummikauen mache schlau, die seinerzeit durch viele Zeitungen geisterten, auf plausible und überzeugende Weise. Kurzfristige Intelligenzsteigerung ist und bleibt eine Illusion. Erst im Alter von vier bis fünf Jahren ist eine ausreichende Positionsstabilität von Intelligenz gegeben, die einen Test sinnvoll erscheinen lässt.

Siehe dazu auch die Testpraxis


Die Darstellungen der klassischen Intelligenzmodelle entstammt dem nicht mehr verfügbaren Hypertext Erwin Breitenbachs: Theorien der Intelligenz (o.J.). WWW: http://www.uni-wuerzburg.de/sopaed1/breitenbach/intelligenz/intelliglie.htm (01-12-03). Dort finden sich ausführliche Beschreibungen und Erläuterungen zu diesen hier exemplarisch dargestellten und weiteren Modellen der Intelligenz. Der einleitende geschichtliche Überblick stammt aus: Eysenck, Hans J. (1996). Intelligenztest. Reinbeck bei Hamburg: Rohwohlt

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