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Der psychologische Test
Das psychologische Experiment
Wenn man von der durchaus nicht trivialen Begriffsbestimmung der Psychologie absieht, daß diese dadurch definiert sei, was PsychologInnen eben so tun, versteht man allgemein darunter jene Wissenschaft, die sich mit dem Erleben und Verhalten von Lebewesen, insbesondere von Menschen, beschäftigt. Vom "Alltag" psychologischer Tätigkeit - und zwar nicht nur vom wissenschaftlichen sondern auch praktischen psychologischen Handeln - ausgehend kann man vier zentrale Tätigkeitsfelder unterscheiden (vgl. Schneewind 1977, 16):
Setzt man diese vier Tätigkeitsfelder mit den in dieser Arbeit zu beschreibenden Methoden der Psychologie in Beziehung, so ergibt sich folgendes Schema, in welches exemplarisch typische psychologische Handlungsweisen eingesetzt wurden:
Methode |
Beschreiben |
Erklären |
Vorhersagen |
Verändern |
psychologischer Test |
Diagnose, Anamnese in der psychologischen Praxis, Einstufung |
Zurückführen menschlichen Verhaltens auf Merkmale der Person |
Leistungsprognose, z.B. Schul- oder Berufserfolg |
Therapie- und Behandlungsvorschläge aufgrund von Testergebnissen, Selektion |
psychologisches Experiment |
Definition der Variablen |
Kontrolle der Bedingungen bzw. Variablen, Kausalitat |
Hypothesen für neue Experimente generieren |
Veränderung der abhängigen Variablen in Bezug auf die Variation der unabhängigen |
Wie man sieht, finden sich zwar in dieser Übersicht in alle Feldern Überschneidungen, jedoch sind die durch Fettdruck hervorgehobenen Felder zentral bzw. sogar methodenkonstituierend, sodaß psychologische Tests besonders dadurch gekennzeichnet sind, daß mit ihnen eine genaue Beschreibung einer Person möglich sein soll, während das Experiment dadurch charakterisiert ist, Kausalbeziehungen zur Erklärung von psychologischen Phänomenen zu erhellen. Ebenfalls methodentypisch sind die Anwendungsfelder: während das Experiment in den meisten Fällen in der wissenschaftlichen bzw. forschungsorientierten Psychologie zum Einsatz kommt, ist der Test - nach seiner wissenschaftlichen Entwicklung - hauptsächlich in der psychologischen Praxis zu finden.
Die psychologische Diagnostik hat viele Anregungen und Vorgehensweisen von der experimentellen Psychologie übernommen: philosophische und methodologische Grundeinstellungen, allgemeine Untersuchungsansätze, spezifische Meßverfahren, für die Diagnostik inhaltlich relevante Forschungsergebnisse. Diagnostischen Modellen liegen in der Regel bestimmte Vorstellungen des Menschen zugrunde. Nach Jäger & Petermann (1995) sind solche Menschenbilder unterschiedlich und wandelbar, denn sie stehen unter dem Einfluß von Zeitgeist, Biographie, Weltbild, Bildungsniveau u.v.m. So gibt es zum Beispiel Theorien zeitübergreifender Persönlichkeitsdispositionen, aber auch Auffassungen, die Persönlichkeitseigenschaften als situationsspezifisch beschreiben, sowie die interaktionistische Sichtweise, die zwischen diesen Standpunkten gewissermassen eine Brücke geschlagen hat.
Die Übernahme von Ideen und Methoden des Experiments durch
die Testpsychologie wurde dadurch begünstigt, daß viele
der ersten diagnostisch arbeitenden Wissenschaftler Schüler von
Wilhelm
Wundt, dem Begründer der Experimentalpsychologie, bzw.
Schüler anderer Experimentalpsychologen waren, wie z. B.
James McKeen Cattell und Hugo Münsterberg. Sie lernten
bei den Experimentalpsychologen in einer bestimmten Weise zu denken
und zu forschen und übertrugen das dann auch auf ihre
diagnostische Arbeit.
Sowohl psychologische Diagnostik als auch experimentelle
Psychologie berufen sich auf den Empirismus.
Eine empiristische Einstellung wurde schon von den frühen
Experimentalpsychologen übernommen. So bezeichnete schon Wundt
Experimente und Beobachtungen als Mittel zur Erkenntnis psychischer
Sachverhalte und auch die Diagnostik geht davon aus, denn sie
fordert, daß das Vorliegen von Merkmalen einer Person mittels
der Empirie zu überprüfen sei. Für die
interessierenden Eigenschaften müssen entsprechende empirische
(beobachtbare) Indikatoren gewonnen werden, die das Vorliegen der
Eigenschaft indizieren. Und dann ist zu überprüften,
inwieweit Individuen, Institutionen oder Sachverhalte diese
empirischen Indikatoren erfüllen.
Manchmal werden psychologische Tests als Experimente definiert: "Ein psychodiagnostischer Test kann als ein spezifisches psychologisches Experiment gekennzeichnet werden, das der Erkundung und Beschreibung individueller psychischer Merkmale dient. Es besteht im wesentlichen darin, daß unter standardisierten Bedingungen eine Informationsstichprobe über den Probanden (Pb) erhoben wird, die einen wissenschaftlich begründeten Rückschluß auf die Ausprägung eines oder mehrerer psychischer Merkmale des Pb gestattet" (Michel & Conrad 1982, 1).
Die Diagnostik hat in ihren psychodiagnostischen Verfahren zwei Kernideen des Experiments übernommen:
Wie die experimentelle Psychologie zeichnet sich auch die
psychologische Testtheorie durch eine quantitative
Grundeinstellung aus. Sie kommt unter anderem in Messung,
Fehlertheorien, statistischen Methoden und mathematischen
Formulierungen von Gesetzen zum Tragen. Die experimentelle
Psychologie wendet zur Erfassung der sie interessierenden
theoretischen Konstrukte bestimmte Meßverfahren an. Die
Experimentelle Psychologie benutzt zur Auswertung ihrer Daten ein
ganzes Bündel statistischer Methoden. Historisch wichtige
Arbeiten zu den statistischen Methoden stammen z. B. von Carl
Friedrich Gauß, der die Normalverteilung entwickelte,
von Francis Galton, der die Korrelationsrechnung begründete und
von Ronald A. Fisher, auf den die klassische Statistik und die
Varianzanalyse zurückgehen. Statistische Verfahren finden
in der gesamten Diagnostik Verwendung: Normwerte, wie
Prozentränge oder Z-Werte, werden herangezogen, um die relative
Position des Probanden zu beschreiben. Korrelationen sind für
die Quantifizierung von Gütekriterien
(Objektivität, Reliabilität, Validität) von Bedeutung,
und Konfidenzintervalle geben Bereiche an, in denen z.B. Entwicklung
stattfindet.
Die gegenseitige Befruchtung der beiden Bereiche kann man
auch an methodischen Details erkennen, wie etwa bestimmten
Aufgabenarten: Herrmann Ebbinghaus entwickelte für seinen
Intelligenztest Ergänzungsaufgaben, die er als "Lückentest"
bezeichnete, weil in einem vorgegebenen Text Wortlücken zu
ergänzen waren. Auch Binet bezog solche
Ergänzungsaufgaben in seine Intelligenztests
ein und diese Form des Lückentests ist auch heute noch in vielen
gebräuchlichen Verfahren zu finden.
Die Diagnostik hat auch eine Reihe spezieller
Meßinstrumente aus der Experimentellen Psychologie
übernommen bzw. weiterentwickelt. Das elementare Inventar der
frühen psychologischen Laboratorien bildeten Tachistoskop,
Perimeter (Gesichtsfeldmesser), Farbtafeln,
Hörschärfemesser, Tastzirkel und Ergograph. Diese
Meßverfahren und Geräte, die sensorische und motorische
Funktionen maßen, waren besonders für die Anfänge der
Testentwicklung von Bedeutung (Galton, Cattell). Einige davon
finden sich heute in abgewandelter Form bei verschiedenen Leistungstests.
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