Zurück zum Überblick
Der psychologische Test
Das psychologische Experiment
von Hermann Rorschach (hrsg. von W. Morgenthaler)
Um 1911 begann Hermann Rorschach mit der Entwicklung seines auf der Deutung von symmetrischen Klecks-Gebilden beruhenden, projektiven Verfahrens. Er bezeichnete das Verfahren als wahrnehmungsdiagnostisches Experiment: Vorhandene Erinnerungsbilder werden vom Probanden an rezente Empfindungskomplexe geknüpft, ausgelöst durch die Vorlage des unstrukturierten Bildmaterials. Aus seinen Forschungsergebnissen schloß Rorschach, daß sich aus den Deutungen Rückschlüsse auf Persönlichkeitsstruktur und Dynamik eines Menschen ziehen lassen. Der Test (es gibt zahlreiche Versionen und Varianten) besteht meist aus 10 Tafeln mit symmetrischen schwarzen und bunten Tintenklecksen; diese werden in einer bestimmten Reihenfolge gezeigt und es wird gefragt, was der Person beim Betrachten als erstes in den Sinn kommt, wobei es keine "richtigen" oder "falschen" Antworten gibt. Nach diesen ersten Reaktionen bekommt die Testperson die Karten einzeln in die Hand, um sie eingehender zu betrachten. Dann befragt der Psychologe sie, auf welchen Teil des Kleckses sich diese Reaktion bezieht, wie sich die Person diese Reaktion erklärt sowie weitere Aspekte der Deutung. Während die Testperson die Tintenkleckse untersucht, notiert der Psychologe alle Äußerungen, die Handhabung der Karte sowie die Reaktionszeiten.
[Beispiel 1]
Der Rorschach-Test ist heute ein weitverbreitetes psychologisches Verfahren, das besonders bei klinischen Fragestellungen angewandt wird. Die Methoden der Auswertung des Tests sind unterschiedlich und umstritten. Eine Interpretationsweise versucht die Gefühle der Testperson in Bezug auf ein bestimmtes Ereignis oder eine Person zu ergründen. So gibt es eine Karte, deren Klecks nach Rorschachs Auffassung die Mutter der Person repräsentiert. Negative Aussagen in bezug auf dieses Bild könnten auf ungelöste Konflikte mit der Mutter hindeuten. Ein anderer Klecks soll den Vater repräsentieren. Die Kleckse enthalten Teile, die als sexuelle Symbole interpretiert werden könnten. Die Assoziation mit sexuellen Aspekten bei mehr als vier Karten wird meist als auffällig interpretiert. Das Sehen von bestimmten Bildern kann als Zeichen von Schizophrenie gesehen werden, was ebenfalls umstritten ist. Das Drehen des Bildes um 90, 180 oder 270 Grad wird als ein positives Zeichen interpretiert, das Drehen in ungewöhnliche Positionen oder das Verdecken von Teilen des Bildes kann als ein Hinweis auf eine Hirnschädigung interpretiert werden. Die Auswertung bezieht sich meist auf drei Hauptaspekte:
Rorschach selbst sah vor allem den formalen Aspekt der Auswertung als bedeutungsvoll an (Ganz- oder Detaildeutung, Bevorzugung von Farbe, Form oder Bewegung, Inhalt und Originalität der Deutung).
[Beispiel 2]
Zur Erstellung eines Psychogramms werden daneben die Antwortenzahl, die Aufeinanderfolge der Erfassungsmodi, der Erlebnistypus, Vulgär- und Originalantworten u.a. untersucht. Es kann auch eine intensive Nachbefragung erfolgen. Die abschließende inhaltsanalytische Interpretation ist tiefenpsychologisch orientiert. Die Testdurchführung unterliegt keiner Alters- und Zeitbegrenzung. Zum Rorschach-Test sind bisher über 4000 Publikationen erschienen.
Bildquelle:
http://www.ulb.ac.be/psycho/fr/docs/contrib/rorschach/rorsch.jpg (01-07-11)
Ein vergleichbares Verfahren ist die Holtzman-Inkblot-Technik (HIT), die mit einer größeren Anzahl an Tafeln arbeitet (eine deutschsprachige Einführung von Hartmann & von Rosenstiel 1977) und auch ein im Sinne der Auswertungsobjektivität standardisierteres Signierungssystem als der erfahrungsgebundene Rorschach-Test verwendet. Der Autor dieses Handbuchbeitrages hat übrigens 1970 nach einem Studienaufenthalt in den USA bei Wayne Holtzman eine Kurzform des HIT zum Vergleich mit einem von ihm entwickelten akustischen projektiven Verfahren genutzt, um ein probabilistisches Testmodell für projektive Verfahren zu entwickeln und an einer Stichprobe von klinisch abgeklärten ProbandInnen zu erproben: "Ein neuer Ansatz zur Persönlichkeitsmessung - Problematik bei der Konstruktion eines akustischen projektiven Testverfahrens im Rahmen eines mathematisch formulierten Messmodells". Der Rorschach-Test ist aus verschiedenen Gründen umstritten, denn die Interpretationsmethoden sind subjektiv und liefern im besten Fall Hinweise auf Aspekte der Persönlichkeit.
Der Rorschach-Test hat sich auch einen unverrückbaren Platz im kollektiven Zeichenschatz der Pop-Kultur erobert, denn etwa in Bildern von Andy Warhol oder Candice Breitz tauchten die Flecken genauso auf wie im Video zu Gnarls Barkleys Hit "Crazy". In der Hollywood-Verfilmung des Comics "Watchmen" zeigte sich das phantasievolle Fleckenmuster auf der Gesichtsmaske des düsteren Antihelden namens Rorschach. Der Notfallmediziner James Heilman aus Kanada hat auf der englischsprachigen Wikipedia-Seite im Juni 2009 nicht nur Rorschachs zehn originale Tintenkleckse veröffentlicht, sondern auch gleich noch die gängigsten Deutungen hinzugefügt, was zu einem heftigen Streit zwischen Psychologen und Wikipedianern führte, den nun die New York Times aus den Forenseiten der Enzyklopädie an die breitere Öffentlichkeit brachte. Bruce L. Smith, der Präsident der International Society of the Rorschach und andere Psychologen versuchten auf der Wikipedia-Diskussionsseite seit Wochen eine Löschung der Bilder zu erreichen. Die Ergebnisse des Tests würden bedeutungslos, wenn die Normantworten bekannt seien, Patienten würde dadurch geschadet. Die hartgesottenen Wikipedianer verweisen dagegen darauf, dass das Urheberrecht an den Werken des 1922 gestorbenen Rorschach seit langem abgelaufen sei. Und überhaupt, so einer der Diskutanten, gälten die Regeln des Mitmachlexikons: "Die Community wird gewöhnlich nicht bereit sein, Inhalte zu entfernen, weil sie manche Leute stören."
Warum manche Bilder mehr Deutungen zulassen als andere
Da sich beim Rorschach-Test Menschen von den
Tintenbildern an etliche verschiedene Objekte erinnert fühlen, wobei bei
einigen der Formen bis zu 300 verschiedene Deutungen bekannt sind,
haben Taylor et al. (2017) untersucht, weshalb manche Klekse ein
größeres Assoziationspotenzial bergen als andere: Offenbar ist die
Deutung der Formen immer dann besonders ergiebig, wenn ihr Rand einen
vergleichsweise geringen Grad an Komplexität aufweist. Die Struktur der
Tintenklekse lässt sich mit Fraktalen beschreiben, wobei Farbklekse mit
niedriger Kennzahl bei Rorschach-Tests die meisten verschiedenen
Deutungen hervorrufen.
Dieser Text basiert teilweise auf dem Artikel Rorschachtest aus der freien Enzyklopädie Wikipedia.
Links:
The International Rorschach Society
Wikipedia: Rorschach inkblot test
Biografie von Hermann Rorschach
Literatur
http://www.sueddeutsche.de/kultur/316/482768/text/ (09-08-04)
Taylor RP, Martin TP, Montgomery RD, Smith JH, Micolich AP, et al. (2017). Seeing shapes in seemingly random spatial patterns: Fractal analysis of Rorschach inkblots. PLOS ONE 12(2): e0171289. doi: 10.1371/journal.pone.0171289.
Bildquellen:
http://schatz.sju.edu/psycheval/personality/rorschach/10blots.JPG (01-07-11)
http://www.ulb.ac.be/psycho/fr/docs/contrib/rorschach/rorsch.jpg (01-07-11)
[kontakt] |
https://testexperiment.stangl-taller.at/
@}----->---->---- [8-}) design]